Gefährte aus der Hölle: Erlebnisse aus dem öffentlichen Nahverkehr


 

Der öffentliche Nahverkehr ist nicht nur in Coronazeiten ein Ort, an dem man sich höchst ungern aufhält. Schlechte Taktungen und Verbindungen, wenig ausgebaute Netze, überfüllte und überhitzte Busse – das sind nicht die besten Voraussetzungen, um die Bürger weg von ihren Autos in die Öffis zu bekommen. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich immer das Auto nehmen – aber aktuell bin ich leider auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, um zum Beispiel zur Arbeit zu kommen.

 

Als ehemalige Ruhrpottlerin, wo es zumindest in Teilbereichen meines Wohnortes ein ganz ordentlich ausgebautes U-Bahn-Netz gab, war ich gelinde gesagt geschockt, als ich nach meinem Umzug in eine kleine Stadt am Rhein nur noch träge Busverbindungen vorfand. 20minütige Taktungen. Fahrten, die mit dem Auto höchstens eine Viertelstunde dauern, werden so zu stundenlangen Weltreisen. Brauchen wir mit dem Auto knapp 25 Minuten in eine der umliegenden Städte, würde es mit dem Bus geschlagene eineinviertel Stunden dauern, um nur zum Hauptbahnhof der betreffenden Stadt zu kommen, inklusive zwei bis drei Mal umsteigen. Und das natürlich nur bei funktionierenden Verbindungen. Bei Adresseingabe des genauen Ziels auf der Seite der Verkehrsbetriebe erhalte ich die Fehlermeldung, ich solle... ähm...  eine Adresse eingeben. Nun ja.

 

Wenn die Fahrten an und für sich wenigstens wirklich so entspannt wären, wie es die Verkehrsbetriebe in ihren Werbungen behaupten, dann könnte man ja das ein oder andere noch verschmerzen. Wer aber wie ich (außerhalb von Corona) täglich Bus und Bahn fährt, kann über Plakate, auf denen glücklich plaudernde Buspassagiere von gehetzten Autofahrern beneidet werden, nur müde kichern. Aber während man sich in Stoßzeiten zwischen lärmenden, halbstarken Jugendlichen wiederfindet – die bestenfalls nur laut sind, ihre Maske nicht richtig tragen und Sonnenblumenkernschalen im ganzen Bus verteilen, schlimmstenfalls aggressiv werden, wenn man sie darum bittet, die Maske richtig aufzusetzen oder ihren Abfall nicht einfach im Bus liegen zu lassen –, vergeht einem auch das müdeste Kichern.

 

Abstand halten in Coronazeiten – im Bus total überbewertet. Neulich fand ich mich in einem so genannten „Solobus“ (einem kurzen Bus ohne das hübsche Ziehharmonikagelenk) auf dem Platz direkt hinter dem Fahrer wieder. Auf der Plexiglasscheibe, die mich vom Fahrer trennte, klebte direkt vor meinem Gesicht ein DIN A4-Blatt mit einer wichtigen Information – durch die nicht sonderlich durchdachte Platzierung allerdings ausschließlich für mich sichtbar. Jedenfalls wurden die Fahrgäste gebeten, immer eine Sitzreihe Platz zu lassen. Wegen Corona und so. In einem Mini-Solobus! Der nur alle 20 Minuten fährt!! Welcher Sesselpupser, der noch nie in seinem Leben mit dem Bus gefahren ist, hat sich denn bitte so etwas ausgedacht?

 

Tatsächlich habe ich den verantwortlichen Verkehrsbetrieben geschrieben, dass dieser Zettel erstens von niemandem wahrgenommen wird, dass es zweitens schlicht nicht möglich ist, in einem so kurzen und engen Bus zu Stoßzeiten Reihen frei zu lassen und dass man drittens diese Aufforderung höchstens als Zynismus verstehen kann. Und da ich ja ein pragmatisch denkender Mensch bin, hatte ich auch direkt eine Lösung parat und erkundigte mich, ob denn für diese Linie nicht ein längerer Gelenkbus zur Verfügung gestellt werden könne. Die Antwort war, dass die Strecke durch zu viele kleine, enge Sträßchen führe, die für einen Gelenkbus nur schwer zu befahren wären. Das brachte mich wiederum zu der Nachfrage, warum man denn dann in Coronazeiten nicht wenigstens die Taktung von 20 auf 10 Minuten erhöhe. Den Hinweis, dass eine andere Linie, die eine ähnliche Strecke durch ebenso viele kleine, enge Sträßchen führe und dennoch meistens mit einem Gelenkbus befahren wird, habe ich mir dann gespart. Ebenso, wie sich die betreffenden Verkehrsbetriebe dann eine weitere Antwort sparten. Die Verkehrsbetriebe und ich – wir kommen einfach nicht auf einen Nenner.

 

Allerdings entdeckt man auf Busfahrten auch immer mal wieder eigene verborgene Talente. Ich zum Beispiel habe festgestellt, dass ich dazu in der Lage bin, den Bus, mit dem ich morgens zur Arbeit gefahren bin, als abendlichen Feierabendbus wiederzuerkennen – zum Beispiel an herausragenden Fleckformationen auf den Sitzen, aparten Spuckspuren an den Fenstern oder an künstlerisch deponierten Abfällen. Man versteht, wieso manche Städte – so wie das kleine unbedeutende Städtchen am Rhein, das ich mittlerweile meine Heimat nenne – den öffentlichen Nahverkehr unentgeltlich anbieten. So eine Zumutung sollte man nicht auch noch bezahlen müssen.

 

Apropo kleines unbedeutendes Städtchen am Rhein: Hier haben die Busse inzwischen ganz andere Dimensionen angenommen. Ja, sie sind geradezu ganz außerordentlich... geschrumpft! Die knuffigen fahrenden Schildkröten sind die Innovation des Jahrtausends, denn sie werden von Elektrostrom angetrieben und fahren völlig autonom. Völlig. Also – bis auf den Menschen, der immer am Steuerknüppel stehen muss, weil die Minimobile einfach noch zu viele Schwachstellen haben. Aber ansonsten total autonom! Die Bezeichnung „Schildkröten“ kann hier übrigens wörtlich genommen werden, denn jeder fußkranke alte Opa läuft die Minirunde, die die Busse drehen, schneller. Darüber freuen sich regelmäßig besonders die Autofahrer, denn die lieben bekanntlich das Fahren im Schritttempo.

 

Nun will ich ja nicht gegen Innovationen wettern. Das kleine, unbedeutende Städtchen am Rhein streicht jedenfalls eine Menge Geld dafür ein, dass die Busse hier ihre Runden drehen. Und offenbar ist es notwendig, dass sie das wirklich den GANZEN TAG tun, um die Fördergelder zu bekommen – warum sonst sollten sie tatsächlich mit einer höheren Taktung fahren als die regulären Linienbusse? Zumal, und das ist wirklich ungelogen so, sie immer leer sind, also ganz offensichtlich nicht der geringste Bedarf besteht. Ganz sicher sind dort aber immer die Sitze sauber – und warum sollte man auch Geld investieren in Linienbusse, die sowieso täglich aufs Neue demoliert werden?

 

 

 

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